Im privaten Nahbereich
Die Lebenssituation für ältere Menschen ändert sich mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben oftmals wesentlich, denn die sozialen Kontakte um den Arbeitsplatz herum verschwinden nach kurzer Zeit. Der private Nahbereich wird damit zum primären Bezugspunkt, wobei hier unter privatem Nahbereich PartnerInnen, Familie, FreundInnen, Bekannte und NachbarInnen zusammengefasst werden.
Solange ältere Menschen keine Einschränkung hinsichtlich ihrer Selbständigkeit erfahren, ist diese Betroffenengruppe nur unwesentlich von Erwachsenen während der Freizeit zu unterscheiden. Allerdings geht mit der steigenden Lebenserwartung ein steigender Bedarf an Pflege- und Unterstützungsleistungen einher, welcher in Österreich zu großen Teilen im privaten Nahbereich geleistet wird.
Synthese
Die Erhebung von verlässlichen Informationen zur Prävalenz von Gewalt an älteren Menschen ist grundsätzlich schwierig und erfolgte hier nur indirekt über eine ExpertInnenbefragung. Mit der entsprechenden Vorsicht sind die Ergebnisse zu interpretieren.
Eine wichtige Erkenntnis ist trotzdem, dass ältere Menschen im privaten Nahbereich weniger Gewalt ausgesetzt sind als die anderen im Jahrbuch behandelten Gruppen. Außerdem treten zusätzliche Gewaltformen in den Vordergrund. Beispielsweise ist die finanzielle Ausbeutung oder Verwahrlosung eine wichtige Dimension bei der Betrachtung von Gewalt an älteren Menschen. Aufgrund der hohen Erwünschtheit der privaten Pflege von Seiten der älteren Menschen und auch der pflegenden Angehörigen findet in Österreich ein Großteil der Pflegeleistung im privaten Nahbereich statt.
Dies ist für die Pflegenden meist mit hohen psychischen Belastungen verbunden und die oftmals fehlende Ausbildung im Pflegebereich schafft bereits eine potentielle Konfliktsituation in der Gewalt wahrscheinlicher auftritt. Auch in diesem Bereich gibt es eine Vielzahl an Initiativen, welche Präventivmaßnahmen umsetzen und auch die Bundesminiserien haben in den letzten Jahren aktiv zum Thema informiert und aufgeklärt. Trotzdem ist fraglich, ob die entsprechenden Informationen und Angebote die meist überlasteten pflegenden Angehörigen erreichen können. Ein in der Umsetzung begriffenes Forschungsprojekt der Paracelsus Universität Salzburg untersucht aktuell diese Belastung von Angehörigen und Betreuenden von Menschen mit Demenz (www.pais-studie.at). Dadurch dass die Pflegenden oftmals die TäterInnen und die älteren Menschen in Pflege oft nicht mehr vollständig selbständig sind, besteht ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, welches einerseits Gewalt befördert und andererseits eine Hilfe durch Dritte erschwert. Aufklärungsarbeit, Entlastung und die Bereitstellung von Weiterbildungsmaßnahmen für die Pflegenden sind wohl die einzigen wirklich effizienten Präventionsmaßnahmen, um für alle Beteiligten eine zufriedenstellende gewaltfreie Umgebung zu schaffen.